Unterschlupf in St. Blasien
Elise Medenwaldt wurde am 02. April 1882 in Genua als Elise Helena Maria Jacob und Tochter des deutschen Vizekonsuls Julius Jacob und seiner Frau Emilie Jacob, (geb. Heilbron geboren). Sie hatte drei Brüder: Willy und Freddy Jacob sowie einen Halbbruder, Karl Heilbron. Sie war römisch-katholischen Glaubens.
In der Hack’schen Bühnenakademie in Berlin bereitete sie sich drei Jahre lang auf den Beruf als Schauspielerin vor. Ab 1904 arbeitete sie an verschiedenen Theatern, ihr letztes Engagement hatte sie 1928 am Stadttheater Brandenburg in Harvel. Weitere Anstellungen fand sie in Hirschberg (heute Jelenia Góra), Koblenz, Königsberg (heute Kaliningrad), Düsseldorf und Berlin. Sie gehörte keiner politischen Partei an und war Mitglied in der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger, der größten Gewerkschaft für Theater-Berufe. Im Ersten Weltkrieg war sie in einem Militärbüro als Bürokraft tätig.
Nach 1933 erhält die Schauspielerin keine Engagements mehr
Aufgrund der rassistischen Politik der Nationalsozialisten erhielt sie nach 1933 kein Engagement mehr. Ab 1933 erhielt sie Unterhalt von ihrem geschiedenen Ehemann. Im selben Jahr war sie offiziell nicht mehr dazu berechtigt, als Schauspielerin zu arbeiten, solange das Sippenamt Berlin ihren „Fall“ nicht abgeschlossen hatte. Medenwaldt vermutete, dass der Anwalt ihres Mannes sie als Jüdin gemeldet hatte, damit die Unterhaltszahlungen eingestellt werden konnten.
Die Nationalsozialsten beschlagnahmten ihr Radio. Ab 1941 wurde sie gezwungen, den Judenstern zu tragen und einen Stern an ihrer Wohnungstüre anzubringen, in der sie mit ihrer Mutter lebte. Fast zwei Jahre lang musste sie in der „Elite Wäscherei und Großdampfwäscherei Schwenkner und Ellenfeld“ in Berlin Tempelhof schwere Zwangsarbeit im Mangelsaal leisten. Die Dienstverpflichtung wurde vom Arbeitsamt – Sonderabteilung Juden, Berlin, Fonantepromenade verfügt. Sie wurde dort menschenunwürdig behandelt und musste von Steglitz zu Fuß zum Dienstantritt um 6 Uhr in Tempelhof gehen. Durch die widrigen Umstände und die schwere Arbeit erkrankte sie an einer Nervenentzündung. Ihre Mutter erhielt ab 1943 nur noch jüdische Lebensmittelmarken, durfte – wie Elise Medenwaldt – keinen Luftschutzbunker mehr betreten und wurde aus ihrer Wohnung gedrängt.
Elise Medenwaldt versteckte sich monatelang in der Pension Probst in St. Blasien
Im Frühjahr 1943 wurde Elise Medenwaldt von zwei SS-Männern „zum Abtransport“ in ihrer Wohnung aufgesucht. Sie war, ohne dass man sie darüber informiert hatte, zur „Jüdin 2. Grades“ erklärt worden. Aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes und der Unfähigkeit, sich zu bewegen, wurde ihr „kurze Zeit“ Aufschub gewährt. Trotz ihrer Verfassung tauchte sie mithilfe ihres Stiefbruders Karl Heilbron zunächst für zwei Wochen bei Verwandten des Schupo-Beamten und Polizeiwachtmeister Walter Mohnhaupt in Berlin unter. Von Monhaupt und einem Postbeamten erhielt sie dann Papiere, die ihr eine Fahrt nach St. Blasien ermöglichte. Hier versteckte sie monatelang in der Pension Probst:
„Durch die Mitbesitzerin Frl. Marie Probst wurde es mir auch ermöglicht, dass ich ohne Lebensmittelkarten durchkam.“
-Elise Medenwaldt-
Ihr Stiefbruder Karl Heilbron versorgte sie in dieser Zeit mit Geld, dass er direkt an Marie Probst sandte. Bis zum Ende des Kriege hielt sich Elise Medenwaldt in St. Blasien, Titisee, Neustadt, Bad Säckingen und Waldshut versteckt. Sie überlebte den Nationalsozialismus also im Verborgenen, während ihre Nichte Käthe Weinberg mit ihrem Ehemann, ihren Kindern und Schwiegereltern 1943 aus Berlin nach Auschwitz deportiert wurden.
Nach dem Krieg lebte Elise Medenwaldt in Waldshut
Nach dem Krieg lebte sie in Waldshut und war als „Lisa Boccay“ bei der oberrheinischen Städtebühne angestellt. Ihr Engagement ging dort von November 1945 bis Mai 1949. In der Spielzeit 1948/49 spielte sie zum Beispiel unter der Spielleitung von Walter Schenkel in „Der verkaufte Großvater“ von Anton Hamik die Rolle der „Haslingerin“. Das Stück hatte seine Premiere im April 1948. Für Wanderbühnen wie die oberrheinische Städtebühne waren die ersten Nachkriegsjahre eine schwierige Zeit. Im Juli 1948 konnte an der oberrheinischen Städtebühne zum Beispiel aufgrund der Währungsreform vorübergehend keine Gage bezahlt werden. Elise Medenwaldt kämpfte Zeit ihres Lebens für Wiedergutmachung und Entschädigungen durch den Staat – für die öffentliche Demütigung in Berlin, die Verpflichtung zur Zwangsarbeit sowie die Zerstörung ihrer wirtschaftlichen Existenz und ihrer Gesundheit. Sie starb am 11.12.1952 im Alter von 70 Jahren im Krankenhaus Stühlingen.
Recherchen von Johannes Heitmann