Leben in St. Blasien – Überleben in Baden-Baden
Ferdinand Odenheimer wurde am 11.11.1885 als Sohn von Josef und Emma Odenheimer (geb. Essinger) in Heidelsheim geboren. Er hatte fünf Brüder. Neben Ferdinand überlebte sein Neffe, Herbert Josef Odenheimer (später Ehud Loeb), der durch die O.S.E. aus Gurs gerettet wurde, als einziges weiteres Familienmitglied die Shoa.
Lina Odenheimer wurde am 21.08.1886 in Durlach als Karoline Seiter geboren. Sie war die Tochter von Heinrich und Karoline Seiter (geb. Huber). Nach dem Besuch der Volksschule war Lina in der elterlichen Gastwirtschaft tätig. Später arbeitete sie als Verkäuferin und als Filialleiterin unter anderem in Karlsruhe. Am 28.05.1919 heirateten Ferdinand und Lina Odenheimer und Lina konvertierte zum Judentum.
Das Paar zog unmittelbar nach der Hochzeit nach St. Blasien und führte zunächst den sogenannten „Schwarzwaldbazar“, auch „Kur-Bazar“ genannt, später ein Lebensmittel- und Feinkostgeschäft in der Hauptstraße und ab etwa 1930 zusätzlich ein Zigarrengeschäft. Das Ehepaar beschäftigte eine ständige Hausangestellte sowie einen Mitarbeiter für ihr Geschäft.
NSDAP-Mitglied greift Ferdinand Odenheimer 1932 an
1932 wurde Ferdinand Odenheimer von einem NSDAP-Mitglied in St. Blasien körperlich angegriffen. Die Parteizeitung „Der Führer“ veröffentlichte dazu einen Artikel, der Odenheimer antisemitisch verhöhnte. Mit der sog. Machtergreifung verschlechterte sich das Geschäft und die Situation des Ehepaars deutlich. 1935 mussten die Geschäfte aufgegeben werden, Ferdinand und Lina Odenheimer verließen St. Blasien und zogen in das als weltoffen geltende Baden-Baden.
1936 übernahm Ferdinand Odenheimer ein Zigarrengeschäft in der Lange Straße in Baden-Baden. Das Ehepaar litt bis zum Verkauf des Geschäftes 1938 zunehmend unter Anfeindungen und Boykotten. Das Schaufenster wurde laufend mit Plakaten überklebt, auf denen der Aufruf „Niemand kaufe bei einem Juden“ zu lesen war. Weiter berichtet Ferdinand Odenheimer in einem Restitutionsprozess: „In einer Nacht wurde sogar das Schaufenster eingeschlagen, sodass solches ersetzt werden musste. Täter waren S. S. Leute“. Außerdem wurden Posten aufgestellt, die Kunden daran hinderten, sein Geschäft zu betreten. Als Frau in einer sog. „Mischehe“ wurde Lina Odenheimer von Menschen aus Baden-Baden als „Judensau“, „Judenfrau“ und „Dreckjüdin“ beschimpft. Im Zuge der Novemberpogrome wurde Ferdinand Odenheimer an seinem 53. Geburtstag, am 11.11.1938, in das Konzentrationslager Dachau deportiert, wo er bis zum 12.12.1938 inhaftiert war.
Bis 1945 zog das Ehepaar mehrmals um
Angesichts dieser Erfahrungen plante das Ehepaar Odenheimer die Auswanderung im Herbst 1939 über England nach Palästina. Im Juni kündigte man die Wohnung in der Lange Straße. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde die Auswanderung kurzfristig aufgrund eines fehlenden „deutschen Sichtvermerks“ nicht genehmigt und Ferdinand und Lina Odenheimer standen ohne Wohnung da. Bis 1945 zog das Ehepaar mehrmals um, da sie in den jeweiligen Wohnungen nur übergangsweise bleiben konnten. Ein Antrag auf Unterbringung bei „Ariern“ wurde abgelehnt. In den Jahren 1942 und 1943 beantragte Ferdinand Odenheimer wiederholt Fahrten nach Karlsruhe, um einen Facharzt zu konsultieren, wozu er außerdem die Erlaubnis der Straßen- und Reichseisenbahn einholen musste. Noch am 19.07.1944 wurde ihm der Besuch des Grabes seiner Eltern genehmigt.
Wie seine Frau Lina überlebte auch Ferdinand Odenheimer die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus. Er war damit, einer Schätzung des Badener Tagblatts nach, einer von insgesamt vier Juden, die den Nationalsozialismus in Baden-Baden überlebten. Nach Kriegsende wurde er vorübergehend Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Baden-Baden und organisierte die ersten jüdischen Feierlichkeiten nach dem Krieg. Außerdem fand er eine Anstellung im Amt für politisch Verfolgte, die er aber nach zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste. Wegen ihres Alters und der Krankheit ihres Mannes, um den sie sich kümmern musste, konnte Lina keine Arbeit mehr annehmen. Am 25.10.1954 starb Ferdinand Odenheimer in Baden-Baden. Lina Odenheimer starb am 16.04.1970 im städtischen Krankenhaus Baden-Baden.
Recherchen von Marla Hilpert und Fiona Robold